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10. Virtuelles Bonner Humboldt-Preisträger-Forum „Beethovens ‚Geistiges Reich‘: ‚Symbole des Vortrefflichen‘ in der Kunst und die kulturelle Politik des Widerstandes” 20. – 23. Oktober 2021
10th Virtual Bonn Humboldt Award Winners’ Forum “Beethoven`s ‘Empire of the Mind’: Artistic ‘Effigies of the Ideal’ and the Cultural Politics of Resistance” 20 – 23 October 2021 Bonn
Jansenismen und Literatur in Mitteleuropa
Die Untersuchung der jansenistischen Reformbewegung avancierte in den letzten zwanzig Jahren zu einem fruchtbaren Bereich der europäischen Frühneuzeit- und der Aufklärungsforschung. Die neueren Ergebnisse wurden in der ostmitteleuropäischen Literaturwissenschaft nur sporadisch integriert und kaum weiter ausdifferenziert. Die in den verschiedenen Nationalsprachen dieser Region publizierten Beiträge sind der westeuropäischen Forschung aus sprachlichen Gründen schwer zugänglich und wurden kaum bzw. gar nicht rezipiert. Die Verbindungen und Wechselwirkungen zwischen Jansenismus und Literatur in dieser Region sind nach wie vor ein Forschungsdesiderat.
In den letzten Jahren wurden u.a. die englische Übersetzung der jansenistisch geprägten autobiografischen Werke des Fürsten Ferenc Rákóczi II. in zwei Bänden (Budapest, Corvina Verlag 2019) und die historisch-kritische Ausgabe der französischen Übersetzung seiner Confessio peccatoris veröffentlicht (Paris, Éd. Honoré Champion 2020), eine historisch-kritische Ausgabe des lateinischen Textes wird zur Zeit vorbereitet. Meine Forschung zielt vor allem auf die Vermittlung ostmitteleuropäischer Jansenismusforschung nach Westeuropa und die Erarbeitung bisher unbekannter „Jansenismen”. Die Untersuchungen sollten anhand ausgewählter Themen, Autoren und Werke aufzeigen, wie jansenistische Konzepte, Texte und Lektürepotenziale sich in den verschiedenen Bereichen der Literatur Mittelund Ostmitteleuropas transregional vermittelten und auf die Literaturauffassung auswirkten. Es ist beabsichtigt, zuvor getrennt behandelte Forschungstraditionen zusammenzuführen, die literarischen Reflexionen auf den Jansenismus zu bündeln, neue Grundlagenforschungen zum Thema anzuregen und nach der Bedeutung des Jansenismus für die Literatur dieser Region zu fragen. Vorgesehen ist, die bisherigen Ergebnisse der Jansenismusforschung im Hinblick auf die Literatur Mitteleuropas zu sichten, zu prüfen, zu revidieren und weiter zu entwickeln. Grundsätzlich geht es nicht nur um wenige bekannte Autoren wie z.B. Grimmelshausen, Feßler, Rákóczi und Mikes, sondern um eine noch kaum erschlossene Fülle von Werken heute vergessener oder fast vergessener Verfasser. Es wird angestrebt, über die fiktionale Literatur hinaus sachlich-diskursive und poetische Schriften, die Gattungen der moraldidaktischen und der geistlichen Prosa und der „Ich”-Literatur sowie in Manuskript gebliebene Übersetzungen aus dem Französischen mit einzubeziehen. Es wird auch eine Neuperspektivierung des moralistischen und anthropologischen Diskurses der Jansenisten in den mitteleuropäischen Ländern unter primär ideen- und bildungsgeschichtlichen sowie ästhetischen Gesichtspunkten angestrebt. Vor allem die Erschließung und Auswertung von neuen Quellen ist beabsichtigt. Das zu untersuchende Textkorpus besteht aus systematischen, pragmatisch-narrativen und im engeren Sinne literarischen Texten. Ausgewählte, bisher nicht berücksichtigte Bibliotheksbestände und Kataloge sollten mit Blick auf Werke jansenistischer Provenienz systematisch durchsucht und ausgewertet werden. Es wird untersucht, welche Werke des französischen Jansenismus in Mitteleuropa rezipiert wurden, ob und in welchem Maße diese Werke hier gedruckt, gelesen, übersetzt und produktiv angeeignet wurden. Ertragreich ist es auch zu fragen, inwieweit der in der gallikanischen Kirche geführte Streit um Augustinus und die Reformbestrebungen der jansenistischen Theologen in der Literatur und der naturrechtlichen Theoriebildung Mitteleuropas Aufmerksamkeit erregt haben. Inwieweit haben die theologische Ethik und die moralistische Psychologie der Jansenisten den politischen und moralischen Roman, die moraldidaktische Literatur, das Lehrgedicht und andere Gattungen mitgeprägt?
Research Centre for the Humanities Ungarn Ez az e-mail-cím a szpemrobotok elleni védelem alatt áll. Megtekintéséhez engedélyeznie kell a JavaScript használatát.
Fachgebiet / Discipline Kulturwissenschaft
Schlüsselwörter / Keywords deutsch-ungarische Literaturverbindungen, Erzählforschung, Geschichte der Literaturwissenschaft, Literatur des 18. Jahrhunderts, neulateinische Literatur
Gábor Tüskés, Univ.-Prof., Doktor der ungarischen Akademie der Wissenschaften, wiss. Rat, Leiter der Abteilung für das 18. Jahrhundert, ELKH, Geisteswissenschaftliches Forschungszentrum Institut für Literaturwissenschaft. Jüngste Buchpublikationen: Litterae Hungariae. Transformationsprozesse im europäischen Kontext (16.– 18. Jahrhundert). Münster, Münsterscher Verlag für Wissenschaft 2018 (Wissenschaftliche Schriften der WWU Münster, Reihe XII, Bd. 20), 592 S. (Mitautorin: Éva Knapp); François II Rákóczi: Confession d’un pécheur. Traduite du latin par Chrysostome Jourdain. Édition critique avec introductions et notes établies sous la direction de Gábor Tüskés. Avant-propos de Jean Garapon. Avec la collaboration de Csenge E. Aradi, Ildikó Gausz, Zsuzsanna Hámori Nagy, Réka Lengyel, Zsolt Szebelédi, Ferenc Tóth et Anna Tüskés. Édition revue et préparée par Michel Marty. Paris, Honoré Champion 2020 (Bibliothèque d’études de l’Europe Centrale, 25, Série „Littérature”), 778 S.